Auf der Suche nach den Gemälden aus der verlorenen Zeit

Sehr weit von der Wirklichkeit war ich nicht weg mit meinen Zukunftsvisionen vor fünfzig Jahren. Die heutige Entwicklung geht zu einem „Einheitsmenschen“, leicht regierbar in einem zentralistischen Weltstaat.

Auf der Suche nach den Gemälden aus der verlorenen Zeit

Sehr weit von der Wirklichkeit war ich nicht weg mit meinen Zukunftsvisionen vor fünfzig Jahren. Die heutige Entwicklung geht zu einem „Einheitsmenschen“, leicht regierbar in einem zentralistischen Weltstaat.

Meine erste Ausstellung 1969, also vor fünfzig Jahren, hieß „Futurologica“. Prof. Muschik schrieb damals im „Express“ und den „Salzburger Nachrichten“:

Urwelt und zukünftige Welt ... Die „Galerie Junge Generation“ präsentiert Malerei von dem erst zwanzigjährigen EFW, seiner Ausstellungspremiere. Ein Maler der „Sciencefiction“. Oszillatoren, Transformatoren, Organismus und zukünftige Technik. Biologisch technische Zukunftsvisionen, ein Energie-Röhrensystem unter der Erde. Sperma wird abgesaugt, um eine Rasse zu erzeugen, die für zukünftige Zeiten künstlich geformt oder erzeugt wird. Die Seele des Menschen, also die Persönlichkeit, kann absorbiert werden. Er soll nur funktionieren. Hier ist ein Künstler in einem Grenzbereich grausamer Zukunftsvisionen angelangt. Er zeigt den Menschen vorprogrammiert in einer Zelle, einer Wabe.

Sehr weit von der Wirklichkeit war ich nicht weg mit meinen Zukunftsvisionen vor fünfzig Jahren. Die heutige Entwicklung geht zu einem „Einheitsmenschen“, leicht regierbar in einem zentralistischen Weltstaat.

In meinem Gemälde „METROPOLIS“ in dieser Ausstellung schließt sich der Kreis der Ideen fünfzig Jahre danach. Dieses Bild war mir ein persönliches Anliegen. Ich hoffe, die Menschen besinnen sich darauf, einen eigenen freien Willen zu haben, und ich hoffe, dass sie sich nicht ihre Persönlichkeit durch ein Gas absorbieren lassen. Schiller sagte, Kunst ist der Wille zum Unterschied, der Wille zur Gleichheit hätte Kunst gar nicht aufkommen lassen. Die einzige Gleichheit sollte die vor dem Gesetz sein! Kunst ist auch das Langzeitgedächtnis der Menschen. Musik, Literatur und bildende Kunst sind das zeitlose Vermächtnis.

Mein Blick auf die „Moderne“ ist heute losgelöst vom gängigen Schema der Avantgarde. Er ist auch eine Verneigung vor der Ästhetik und dem klassischen Gemälde. Keine Hässlichkeit als Heilsverkündung und keinen Kniefall vor dem Begriff „zeitgemäß“. Was aber ist Kunst? Wenn Kunst nicht kommerziell sein soll, frage ich, warum der Kunsthandel mit sogenannter zeitgemäßer Kunst so boomt. Deswegen meine Bemerkung vorher zum gängigen modernen Avantgardismus.

Schiele meinte, es gibt keine moderne Kunst, sondern nur gute, und das stimmt. Beuys sagte einmal: jeder Mensch ist ein Künstler. Leider ist das eine eigenwillige Deutung eines Novaliszitates, der eigentlich sagte: Mensch zu werden ist eine Kunst!

Der heutige internationale Kunstbetrieb ist sehr speziell geworden in diesen fünfzig Jahren. Jedoch hält diese Verunsicherung den Kunstbetrieb im Gespräch, was auch wichtig ist. Manche Kunstbeschreibungen sind ja interessanter als das Kunstwerk selbst. Sie erzählen mit einer Wichtigkeit, als ob Leonardo selbst den Kunstreisepass ausgestellt hätte, mit Mitspracherecht im Paradies unter den Auserwählten!

„Wortverdreherarbeiten“, wie es John Fowles im Buch Der Elfenbeinturm beschrieben hat, versuchte ich nie zu machen. Meine Bilder entstehen einfach, sie erzählen mir, wie sie werden wollen. Es ist eine Thematik da, aber jeden Tag eile ich zur Staffelei um die Fortsetzung der unbetretenen Seewege Odysseus' als erster zu erfahren. Ich glaube, die zeitgenössische Kunst bildet etwas ab, das sich heute und hier nicht beurteilen lässt. Erst im Rückblick lässt sie sich einordnen. Bei der Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk liegen die Antworten in uns selbst und wie wir Zugang oder Dialog zu Gemälden finden.

Es soll eine Kommunikation entstehen, ein Auftrag zu einer neuen Herausforderung, es geht um sinnliche Augenlust.

Man muss nicht Bildner und Bildnis zugleich sein, deswegen liebe ich die stille Welt des Pinsels und die Möglichkeiten, nicht überall dabei sein zu müssen. Aber ich hoffe, dass Sie dabei sind bei „der Suche nach den Gemälden aus der verlorenen Zeit.

Ernst-Ferdinand Wondrusch, geb. 1949 in Wien, absolvierte die Akademien für angewandte und für bildende Kunst, lebt und arbeitet in Los Angeles und Klosterneuburg als Maler, Bühnen- und Filmausstatter; er erhielt 1999 den österreichischen Berufstitel Professor und 2004 den Kulturpreis der Stadt Klosterneuburg. Der hier präsentierte Beitrag ist der Einladung zu einer Werkschau entnommen, die am 12.2.2019 im Stadtmuseum Klosterneuburg eröffnet wurde.